SNB should avoid pressure by exporters and prepare for further Franc strength. Strong Franc is blessing in disguise (in German)

Bern sollte Stützmassnahmen auf kleine Schweizer Exporteure konzentrieren. SNB sollte meiden nochmals unter dem Druck von Politik und Exportindustrie zu handeln – wie 2011.

(Geopolitical Comment from 18 Jan 2015 – Lake Geneva, Switzerland – Follow up to comment from in Aug 2011- Zurich)

Dieser geopolitische volkswirtschaftliche Beitrag will an die Eigenverantwortung aller Wirtschaftssubjekte (Kern unserer Marktwirtschaft) appellieren.

Kaum eine Zentralbank hat derart grosse Herausforderungen bei verhältnismässig kleinem “Einfluss auf der Weltbühne” wie die SNB.

Das grosse Klagen quer durch die Schweizer Landschaft über den Franken-Schock überdeckt die beeindrückende Tatsache, dass fast alle grossen Akteure in der Finanz- und Exportindustrie nicht nur völlig unvorbereitet, sondern gar auf der falschen Seite der Erwartungen positioniert waren. Seit über zehn Jahren überzeugt von der Überbewertung des Franken, hatten fast alle sog. Experten (Konsens) in der Schweiz in den vergangenen Jahren empfohlen, Fremdwährungen zu übergewichten. Viele Firmen sowie Pensionskassen haben wegen ihrer Franken-Untergewichtung Verluste erlitten, aber kaum einer übernimmt die Verantwortung für diese zusätzlichen Verluste.

Statt dessen wird auf unsere Nationalbank mächtig Druck gemacht und ihr still bis „heimlich“ die Verantwortung fürs ganze Ausmass der Verluste geschoben. Mir scheint als hätten die Führungsspitzen vieler grosser Schweizer Institute und Exportunternehmen ihre Hausaufgaben im Hinblick auf die Einschätzung wichtigster Makro-Risiken – insbesondere eine aufgestaute Franken-Aufwertung – nicht wahrgenommen. Das kann vorkommen, aber der jetzige kollektive Mahnfinger auf die SNB könnte Reaktionen auslösen bzw. Verhaltensweisen (u.a. moral hazard) zementieren, die noch gravierendere Folgen mit sich bringen könnten.

Auch wenn der Begriff Währungs-Untergrenze etwas schicker als „Currency Peg“ (Währungs-Ankoppelung) klingt, so war der Franken über drei Jahre de-facto am Euro gekoppelt.

Was viele unterschlagen

Die Franken-Aufwertung ist seit 1973 ein Trend, der nur künstlich durch die SNB-Ankoppelung an den Euro 2011 aufgehalten wurde. Unsere Nationalbank hat zu Recht von vorn herein darauf hin gewiesen, diese faktische Ankoppelung ist nur für eine gewisse Zeit. Nichts wäre aus diesem Schock gelernt, wenn wir zulassen, dass strategische Entscheidungsträger die Verantwortung für ihre Verluste oder Spar-Entscheide quasi der SNB zuschieben. Dies widerspricht dem Grundsatz der Eigenverantwortung. Es sollte eigentlich so sein, dass unabhängig dessen, was die SNB sagt oder sagen kann, jeder Entscheidungsträger seine eigene Analyse machen bzw. Meinung bilden muss. Sind sich seine Berater alle zu sehr der gleichen Meinung, so muss er dies und allenfalls den eigentlichen Mehrwert seiner Berater hinterfragen.

Kann die Verantwortung für die Einschätzung strategischer Risiken an etablierte Consultants oder Banken extern verlagert werden? Nur bedingt und je länger desto weniger, denn zu gross ist dort seit 2008 der „Peer Group“-Druck geworden. Einiges spricht sogar dafür, dass manche Verwaltungsräte und Firmenchefs sich von Experten und Consultants umgeben haben, die an einem konsensorientierten Industrieverhalten festhalten. Man liest die gleichen Zeitungen, verkehrt in ähnlichen Kreisen und übernimmt tendenziell die etablierten konsensträchtigen Meinungen. Das gibt Sicherheit und mindert das Risiko aufzufallen. Eine natürliche Reaktion auf die „Great Financial Crisis“: ja, keine Fehler machen oder auffallen. In der Angst und Bange um die eigene Stelle oder Image, werden viele an den Konsens gedrückt.

Die nackte Wahrheit wurde bislang wenig erwähnt: Der Schweizer Franken (CHF) ist handelsgewichtet seit 1975 auf einem unaufhaltsamen Aufwertungstrend. Abgesehen von der Wucht und der Art der Kommunikation (was einige als Abkehr von der „Forward Guidance“ empfinden), war rein volkswirtschaftlich und geldpolitisch wenig “überraschend” Neues an der Währungsfront im Januar. Ausser man liess sich von der Null-Volatilität der letzte drei Jahre gänzlich beeinflussen und vom Konsens mitreissen. Wer die explodierende Bilanz der SNB und den besorgniserregenden Einbruch des Euro verfolgt hat, kann der SNB etwas Verständnis entgegen bringen.

Wir waren schon mal hier

In der Tat steht der CHF auch nach dem Januar-Schock gegenüber dem USD ungefähr dort wo er im Frühjahr 2014 war. Und gegenüber dem Euro steht der Franken eigentlich dort, wo er war als die SNB in 2011 unter dem Druck aus Politik und Industrie ins Markt-Geschehen einzugreifen begann. Das heisst: der jetzige Wechselkurs dürfte zwar viele Bürger total überrascht haben, nicht aber unsere Politiker, Grossbanken und Führungsspitzen unserer Gross-Unternehmen. Denn das Währungsrisiko ist wohl eins der grössten strategischen Risiken eines jeden global agierenden Unternehmens. Das ist absolute Chef-Sache. Und dass der Konsens falsch lag kann keine Ausrede sein. Gerade wenn sich alle etablierten Prognostiker einig sind, müssen Exporteure und Konzern-Chefs unabhängige Experten aufsuchen. Das Überleben könnte davon abhängen. Dass weder der Gesetzgeber noch der Regulator in der Schweiz die unabhängige Analyse gerade fördern, darf nicht als Vorwand benutzt werden. Es ist am Ende ein kollektives Verhalten der Wirtschaft, ein Stück weit systemisch.

Man könnte als Volkswirt zu sagen wagen, dass der starke Anstieg des Franken gegenüber dem Euro ein Blessing in disguise sein könnte – also eigentlich ein Segen. Noch exportiert die Schweiz zu viel in die EU (rund 60%), eine kranke und stagnierende Region – In den verhältnismässig dynamischeren USD-Block (USA und Schwellenländer) exportieren wir noch zu wenig. Freiwillig hat sich selten ein Exporteur von seiner Stammkundschaft verabschiedet.

Die klare Aufwertungs-Tendenz unserer Währung ist seit 1974 in Charts sichtlich – die Lage der Welt lässt keine Wende erhoffen, eher das Gegenteil

Swiss Moral Hazard?

Im Allgemeinen gilt, dass mit grossen Gewinn-Chancen auch grosse Risiken einher gehen. Die rasante Globalisierung hat zwar unseren Unternehmen grosse Gewinne bereitet, gleichzeitig sind aber global mannigfache geopolitische und makroökonomische Risiken aufgekommen, die zur Franken-Nachfrage führen. Diese Risiken konvergieren gar zunehmend – angetrieben durch den wirtschaftlichen Aufstieg und die aggressivere Aussenpolitik der grossen Schwellenländer.

Diese strategischen Unternehmens-Risiken (Auswirkung eines starken CHF auf den Export) dürfen nicht übereilt externalisiert oder sozialisiert werden. Sonst müssten die Bürger mit Steuergeldern für die mangelnde strategische Vorbereitung vieler Unternehmen zahlen. Unternehmen, die Mitteln und Pflicht hätten, sich auf Makro-Schocks oder Veränderungen strategischer Tragweite vorzubereiten. Es macht also Sinn, dass Bern nicht auf die Entlassungs-Drohungen mancher Industrie-Vertreter sofort reagiert. Auch wenn der Unmut bei vielen in der Industrie über diesen vermeintlichen Schock teilweise verständlich ist. Bei allem Verständnis dürften Firmenchefs nicht einfach die strategischen Versäumnisse mit Kurzarbeit- und Lohnkürzung kompensieren. Dies wird ihnen nur kurzfristig Luft verschaffen und ist ferner sozial unnachhaltig.

Auch der breit-benutzte Begriff „Schock“ ist etwas irreführend. Ihm haftet ein Sinnbild der völligen Überraschung an. Es passiert etwas komplett Unvorhersehbares, also etwas womit keiner rechnen konnte. Das ist hier nicht Fall. Es wäre besser eigene Fehleinschätzungen einzuräumen oder den freien Lauf der Märkte zu akzeptieren. Dies wäre auch fairer gegenüber unserer Nationalbank. Wir haben es anfangs 2015 zumindest teilweise mit der Entfesselung von aufgestauten Kräften und Erwartungen nach mehr als dreijähriger künstlicher Stabilität bzw. Marktmanipulation durch unsere Währungshüter zu tun. Die jüngsten Spekulationen um den Euro, Griechenland und die EZB – sowie die allgemeine Verunsicherung durch den radikal-islamischen Terrorismus – haben das Timing und Kommunikation der SNB noch schwieriger gemacht.

Die Gefahr wohlgemeinter Handlungen durch Bern – Warum der Staat zurückhaltend reagieren sollte

Vorerst Kompliment nach Bern: der Staat sollte nur wirklich in den Markt eingreifen, wenn ein nennenswerter unvorhersehbare Makro-Schock eintritt. Ist der Schock nicht ganz unerwartet gewesen, so muss der Staat aufpassen. Greift er die Wirtschaft unter die Arme – wenn auch gut gemeint, entsteht so ein gefährliches „Moral Hazard“, wobei die Wirtschaft immer weniger ihre unangenehmen strategischen Hausaufgaben an der globalen Makro-Front wahrnimmt. Für ein Schweizer Exportunternehmen sind das primär: Währungsrisiken, Wachstums-Risiken, politische Risiken usw. Eine Wirtschaft wird nicht wettbewerbsfähiger, wenn man ihr Verantwortung und Pflichten abnimmt. Man muss sie fördern und Entfaltungsräume schaffen. Sie zu schützen ist aber volkswirtschaftlich bzw. langfristig kontraproduktiv.

Ob in Japan, Taiwan, Singapur, Deutschland oder die Schweiz – man sieht, dass eine zur Stärke neigende Währung die Exportindustrie fit und innovativ hält. Brasilien hat auf ihre einflussreichen Industrie-Bosse gehört und beschlossen ihre Industrie zu schützen. Man sieht Jahre später, dass abgesehen von ein paar Firmen, das Land hinsichtlich Produktionskosten fast hoffnungslos wettbewerbsunfähig ist und zu wenig exportiert. Die Pazifik-Allianz (Chile-Mexiko-Peru-Kolumbien) weist das gleiche BIP aus wie Brasilien, exportiert aber das Doppelte.

Dies heisst nicht, dass die SNB nicht versuchen sollte auf die CHF-Wechselkurse punktuell stabilisierend zu wirken. Das Problem liegt darin, dass dies mit vielen Risiken behaftet ist:

  • Wir sind eine kleine offene Volkswirtschaft
  • Anders als das FED, kann unsere SNB nicht die globale Geldpolitik beeinflussen
  • greift die SNB immer ein, um die Industrie zu schützen, entsteht eine ungesunde Erwartungshaltung (der Staat wird sich um meine Währungsrisiken kümmern)
  • Marktteilnehmer reagieren auf solche Zentralbank-Interventionen und stellen sich auf diese ein. Die höheren Kosten der Eingriffe belasten die Steuerzahler
  • Die SNB verbraucht wichtige knappe Ressourcen, die sie für absolute unvorhersehbare Notsituationen aufbewahren sollte
  • Das Eindämmen von Währungs-Bewegungen bringt eine trügerische Stabilität mit sich, auf der viele leider bauen werden. Siehe letzte drei Jahre.
  • Frei-schwankende Wechselkurse sind lebensnotwendige volkswirtschaftliche Ventile: Wechselkurs-Schwankungen erlauben Anpassungen von komplexen Vorgängen, senden wertvolle Signale und erlauben exzessiven Kräften sich kanalisiert zu entfesseln ohne i.d.R. dauerhaften Schaden zu hinterlassen. Diese betrefffen in erster Linie Finanzinstitute, Handels- und Export-Firmen. Leider haben in Europa seit der Einführung des Euro die rein politischen und betriebswirtschaftlichen Interessen diese Diskussion völlig dominiert. Mit den verheerenden Folgen für Millionen von Menschen in der EU: wo früher die komplexen und unangenehmen volkswirtschaftlichen Anpassungen am Devisenmarkt stattfanden – für den normalen Bürger eher schmerzlos, müssen die Menschen nun die Anpassungen real – am eigenen Leibe u.a. am Arbeitsmarkt – erfahren. Selbst, wenn an den Märkten Währungen überschiessen können, ist dies bei Weitem das kleinere Übel.
  • Wechselkurs-Risiken halten in der Regel Wirtschaftssubjekte davon ab, zu viele Risiken einzugehen. Es hält sie „wach“, zwingt sie diese sorgfältig abzuschätzen und mit Pufferräumen bzw. Reserven vorzugehen.

Gegenüber der Industrie-Lobby standhalten

Regierungen, die ihre Währungen künstlich stabilisieren oder gar ankoppeln, erlauben ihrer Wirtschaft anfänglich (zu) schnell zu wachsen, aber letztendlich auch zu viele Risiken einzugehen. Das sah man im Euro-Raum eindeutig. Nach der Euro-Einführung wurde die Einheitswährung gefeiert, fast überall boomte die Wirtschaft. Von spanischen Konsumenten bis zu namhaften Banken, ungehindert durch „lästige“ Währungsrisiken nahmen sie zu viele Risiken auf sich. Das sieht man auch in China, wo die Koppelung an den USD eine gigantische Aufblähung der Kredit-Aufnahme gefördert und genährt hat. Das „QE“ Geld aus den USA wurde – da kein Währungsrisiko besteht – bis ins Vierfache direkt nach China eingeschleust und durchlaufen. Einmal etabliert ist eine Währungs-Koppelung schwer zu brechen. Fast alle Akteure stellen sich darauf ein. Man kann die Währungen entkoppeln, aber „der Patient“ könnte daran sterben. Selbst China wagt es nicht ihre Währung von dem Papiergeld des Erzrivalen (USD) zu entkoppeln.

Regierungen, die ihre Währungen verbilligen, tun ebenfalls ihrer Industrie keinen Gefallen – nicht längerfristig. Kurzfristig bläht eine Währungsabwertung die Exporteinnahmen auf, aber so was hat noch nie längerfristig wirklich gut geendet. Es ist besorgniserregend wie sehr in der aktuellen Diskussion hierzulande wie schon im 2010-2011 die betriebswirtschaftlichen Argumente überwiegen. Diese sind sehr wichtig, dürfen aber nicht überwiegen. Eine ausgewogenere Berücksichtigung betriebswirtschaftlicher, volkswirtschaftlicher und politischer Aspekte wäre unserem Land – und vor allem den unterdurchschnittlich Verdienenden – besser gedient. Dies hat die EU verpasst: man hat sich von der Politik und den Grosskonzernen zu sehr unter Druck setzen lassen, und sowohl die Einheits-Währung als auch den Einheits-Zins übereilt und verfrüht mit dem Kopf durch die Mauer erzwungen. Man erzählte den Bürgern, freie Wechselkurse seien nur lästig und kosten nur Geld – statistisch gesagt also nur „Geräusch“. Betriebswirtschaftlich und politisch stimmt dies schon, nur volkswirtschaftlich nicht.

Aber die mannigfachen Herausforderungen einer post-modernen Welt sind auch nicht rein volkswirtschaftlich zu lösen: die Volkswirte, die seit Jahren den Tod des Euro prophezeien, unterschätzen ebenfalls die politischen und betriebswirtschaftlichen Interessen. Es ist besser wir hören aufeinander und erlauben alle Argumente auf den Tisch. Eine komplexere Welt verlangt, dass alle Beteiligten oder Stakeholder an einem Tisch miteinander reden.

Auch wenn grosse Schweizer Firmen nicht ungehindert von den globalen Märkten profitieren, aber ihre Währungsrisiken an die SNB oder Bern abschieben dürfen, ist die Lage der Tourismus-Industrie und der KMU’s zugegebenermassen etwas eingeschränkter bis prekär und hier könnte die öffentliche Hand flankierend helfen.

Aufgestauter Druck entladen – Volatilität explodiert:

Die Tatsache, dass der Franken an einem Tag 20% zugelegt hat, ist dem aufgestauten Aufwertungs- und Anpassungs-Druck zuzurechnen, der sich über drei Jahre aufgebaut hat. Die Volatilität geht praktisch von Null auf Unendlich. Und wenn Finanzexperten und gar Pensionskassen sich in ihren Modellen auf diese Null-Volatilität verlassen haben, so stellt sich die berechtigte Frage, ob die Finanzindustrie der veränderten Realität nach wie vor trotzt. Die niedrigen Anleihenrenditen in den Industriestaaten und die Null-Volatilität des CHF-EUR Wechselkurs widerspiegeln nicht so sehr der freien rationalen Erwartungsbildung, sondern vielmehr dem gewaltigen Eingriff der Policy-Makers in den Markt. Wenn Finanzexperten an ihren konventionellen Anlageprozessen und Modellen festhalten und aus solch staats-sanktionierten Preisen (in umgekehrter Richtung) Markterwartungen und Risikoprämien ablesen, so dürfen sie sich nicht wundern, dass Politik und Gesellschaft nicht an den Wandel der Finanzwelt glaubt.

Unsere Währungshüter für diese Volatilitäts-Explosion anzuprangern ist nicht nur unfair, sondern kontraproduktiv. Statt ihre Mit-Verantwortung für die jetzige Lage zu bekennen, verlangt mancher Industrie- und Gewerkschafts-Chef neue Massnahmen, die zwar verständlich sind, aber an der Realität der Weltwirtschaft vorbei zielen. Wenn ein verhältnismässig kleines Land sich an die Währung eines viel grösseren und dazu noch kranken Wirtschaftsraumes freiwillig ankoppelt, so geht dieses kleine Land ungeheure Risiken ein, die sie gar nicht kontrollieren kann. Diese überwiegen die Vorteile einer trügerischen Währungsstabilität. Es gibt nur eins, neben Innovation sich rasch in dynamischeren Märkten zu behaupten (USD Raum) und somit Euro-Abhängigkeit auf ein optimales Niveau eindämmen.

Selbst die unabhängige EZB ist überfordert mit Binnen- und Aussen-Kräften jenseits ihrer Kontrolle. Die Lage der Schweiz als hoch-wettbewerbsfähiges und politisch stabiles Land macht den Franken angesichts der vielen weltweiten Krisenherden sowohl geopolitisch als auch wirtschaftlich ein “sicherer Hafen” für Anleger aus aller Welt. Und der Negativ-Zins macht sie ironischerweise noch attraktiver. Die wahren Motivationen vieler CHF-Käufer wohl verkennend, sendet die SNB ungewollt sogar ein Kauf-Signal an viele besorgten Anleger der Welt „Dies ist die attraktivste Währung der Welt, für die man gar zahlt damit man dabei sein darf“. Menschen, die Angst haben einen Grossteil ihres Vermögens zu verlieren wegen Staats-Willkür, Krieg oder Krise werden sich nicht von einem 2%igen Negativzins abschrecken lassen. Je höher der Negativzins, desto mehr könnte die SNB die Begierden hochschaukeln lassen.

Zwar ist die Häufung von Referenden hierzulande ein Negativpunkt für die Stabilität, aber die Direkte Demokratie als effektives Mittel zur Kontrolle der gewählten Exekutive, damit diese ausschliesslich dem Volkswillen dient und nicht sich selbst, überwiegt. Diese direkte Demokratie macht die Schweiz – in einer Welt wo seit über einem Jahrzehnt die Exekutive in fast allen Industriestaaten zu furioser Überaktivität neigt – ziemlich einmalig.

Warum so viele Experten daneben? CHF wird rein wirtschaftlich bewertet statt wirtschaftlich und geopolitisch

Seit Jahren empfehlen Ökonomen, Consultants und Strategen den CHF zu untergewichten und dafür Euro und Hochzins-Währungen zu übergewichten. Sie wiederholen seit Jahren, dass der Franken kaufkraftmässig massiv überbewertet sei. Dies mag handelsgewichtet, inflations- und zinsen-adjustiert der Fall sei, aber der Franken reagiert seit der Jahrtausend-Wende immer häufiger auf geopolitische Spannungsfelder als reine ökonomische Kräfte. Damit tut sich aber die globale Finanzindustrie immer noch sehr schwer – zu ihrem eigenen Nachteil. Denn deren totale Überraschung über die Entkoppelung des CHF am EUR hat deren ohnehin ramponiertes Ansehen nicht geholfen. Bloomberg News stellte gar fest, dass unter ihren Prognose-Lieferanten nur eine einzige Person als mögliche Prognose eingab.

Tatsächlich tun sich viele Finanzindustrie-Teilnehmer immer noch sehr schwer damit, die Tatsache zu akzeptieren, dass rein finanzmarkttechnische Faktoren nicht mehr – wie zwischen 1950 und 1999 – die Hautptreiber der Märkte und Wirtschaft sind. Geopolitische Faktoren und politische Prozesse (Regierungschefs, Policy Makers) haben die Führung übernommen. Selbst die Erholung der Wirtschaft und die Rally an Aktien- und Anleihenmärkten ist ausschliesslich den politischen und währungspolitischen Entscheidungsträgern zu verdanken. Statt diese geopolitischen Prozesse laufend in ihre Makroeinschätzung zu integrieren und entsprechende Methoden zu entwickeln, interessieren sich viele Marktteilnehmer für diese erst nach einem Shock. Sie neigen dann den Shock zu überbewerten und überreagieren entsprechend. Politik und deren Prozesse werden leider immer noch als ein lästiger externer vorübergehender Faktor angesehen. Alles, was sich nicht periodisch quantifizieren und modellieren lässt, ist manchen irgendwie lästig bis zweifelhaft.

Nicht wenige Makroökonomen haben schon im Sommer 2011 – als die SNB diese Währungs-Koppelung zum Euro einführte – geahnt, dass ihr niemand nach deren allfälligen Aufhebung dankbar sein würde. Denn eine Ankoppelung führt praktisch einen Wechselkurs ohne Schwankungen ein. Komfort pur dank praktisch Null-Volatilität. Diese bequeme ökonomisch “surreal” anmutende Situation wird wohl kein Firmenchef freiwillig aufgeben. Im Gegenteil, bleibt das Null-Währungsrisiko über Monate oder gar Jahre bestehen, gewöhnen sich Wirtschaftsakteure daran. Und es liegt die Versuchung nahe, sich auf die Zeit danach nicht vorzubereiten. Man kann ja schliesslich medien-wirksam vehement Druck auf Bern und SNB ausüben, und dies hat ja 2011 gut funktioniert.

Schweiz sollte sich japanische Exportfirmen anschauen

Man beachte, dass Japan zwischen 1985 und 2013 ähnlich oder stärkere Aufwertungen erlebt hat. Viele Experten prophezeiten die japanische Export-Industrie würde verschwinden und die gewaltige Aufwertung niemals überleben. Die japanische Export-Industrie (Autokomponenten, Spezialchemie usw) ist allerdings eine der wettbewerbsfähigsten Japans und der Welt. Makroökonomische Tatsache ist, dass starke Währungen über die Zeit mit wettbewerbsfähigen Exportfirmen und Innovation einhergehen. Franken-Aufwertung entfacht Innovationen und Dynamisierung.

Zeit der Selbst-Verantwortung statt des Zeigefinders

Kein mehrjähriger “Currency-Peg” (Währungs-Ankoppelung) wurde je ohne Tränen aufgegeben. Die Schweiz ging diese unheilvolle Währungs-Ankoppelung im 2011 ein, nicht zuletzt weil zahlreiche Firmen-Chefs, Politiker und Finanz-Spezialisten (darunter sogar ausgebildete Volkswirte) gewaltigen Druck auf die SNB während der globalen Schuldenkrise in 2010-2011 ausübten. Beim Höhepunkt der Euro- & Schulden-Krise gab die SNB dem Druck nach und koppelt de-facto den Franken an den Euro. Aufgrund der geopolitischen (arabischer Frühling) und ökonomschen Risiken stand der Goldkurs damals 40% höher als heute. Die geopolitische Weltlage heute ist tatsächlich etwas entspannter als im Q3 2011. Und angesichts der allerseits erwarteten monetären Überschwemmung (QE) durch die EZB per Ende Januar 2015 ist der Entscheid der SNB nachvollziehbar. Sie hätte die SNB-Bilanz ins Unermässliche aufblähen müssen, womöglich mit gigantischen Kursverlusten. Eine andere Art der Sozialisierung von Risiken der Export-Industrie.

Die Schweiz soll auch für Kapital-Restriktionen offen sein

Ich persönlich bleibe bei meiner Meinung von August 2011: Die Schweiz sollte offen sein für gezielte und temporäre Kapital-Verkehrs-Restriktionen. Die SNB soll sich alle Massnahmen offen halten. Sie soll sich nicht vornehmen oder versprechen die Franken-Aufwertung aufzuhalten, sondern die grösseren Exzesse einzudämmen. Sie könnte auch im Hinblick auf die Erwatungsbildung stabilisierend wirken, in dem sie proaktiv einen Inflations-Korridor von -1 bis +1% p.a. anpeilt und auf Nominelles BIP pro Kopf umstellt. Das starre Festhalten an Inflation und reales BIP-Wachstum trotz demographischer Alterung, zwingt die Schweizer Wirtschaft voll auf Migration zu setzen. Die Umstellung auf neue Ziele würde gesellschaftliche und makro-ökonomischen Ziele politisch besser vereinbaren.

Ein „Peg“ sollte die allerletzte temporäre Karte sein. Negativzinsen alleine sind zu wenig wirksam und Kapitalverkehrs-Restriktionen werden leider in Wirtschaftskreisen verhöhnt. Aber Länder wir Südkorea und Taiwan zeigen uns, dass sogar Dauer-Kapitalverkehrsrestriktionen dem Fortschritt und Wachstum nicht unweigerlich im Wege stehen müssen. Warum nicht Spekulanten den freien Zugang zum Franken vorübergehend blockieren, statt der ohnehin am starken Franken leidenden Binnen-Wirtschaft auch noch Negativ-Zinsen aufzubürden? Negativ-Zinsen werden vielleicht Spekulanten aber nicht besorgte ausländische Anleger vom Franken-Kauf abhalten. Die grossen mannigfachen aufgeschobenen Krisen der Welt sind zu zahlreich, dass sich besorgte Menschen von Negativ-Zinsen in einem der sichersten Ländern der Welt aufhalten lassen könnten.

Natürlich ist das alles leichter gesagt als getan und die SNB macht insgesamt und über die Jahre gesehen eine hervorragende Arbeit. Als Volkswirt hätte ich nur eins anders gemacht als die SNB: 2011 dem Druck von Politik und Industrie nicht nachgegeben und den Euro-Peg gar nicht eingegangen. Mein Vater pflegte mir als Schulkind zu sagen „die Not ist die Mutter der Innovation und Verbesserung“.

Christian R. Takushi MA UZH                               im Februar 2015

Makroökonom

Die obigen Äusserungen widerspiegeln ausschliesslich meine persönliche Meinung und sollten keineswegs als Kauf oder Verkaufs-Empfehlung verstanden werden. Dieses Research kann keinen Anlage-Prozess mit genauem Abwägen aller relevanten Faktoren für den einzelnen Anleger bzw. die einzelne Firma ersetzen. 

No comment made herein should be construed or interpreted as an investment recommendation or advice. 

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